Montag, 11. Mai 2015

Einfache Antennen für Mittelwelle

   Das 630m Band von 472 bis 479 kHz ist kein leichtes Terrain. Die Ausbreitung ist launisch und oft unterbricht langsames QSB ein laufendes QSO. Das QRN und die Störungen durch Elektronik-Schrott sind groß. Tagsüber spielt nur die Bodenwelle und wenn der OM wie ich im voralpinen Hügelland wohnt, ist die Reichweite auf etwa 100 km begrenzt. Am Meer sieht es natürlich anders aus. Nachtsüber kann jedoch auch von hier aus (fast) ganz Europa gearbeitet werden. In CW oder einer schmalbandigen digitalen Betriebsart.
Stark bevölkert ist die Mittelwelle nicht; das Band ist meist ruhig und oft verklingt ein CQ-Ruf im Nichts.
Beliebt ist das Band bei den "Flüsterern". Denn der Ultimate 3 von Hans Sommers kann auch WSPR auf 630m und obschon die Leistung dieses Senders nur klein ist, wird das WSPR Signal mit etwas Glück trotzdem empfangen.
Wer noch eine kleine Endstufe dazu baut, der kann sicher sein, dass er in ganz Europa gehört wird.

Doch das "Piece de Résistance" ist und bleibt die Antenne. Wie bekomme ich meinen Draht dazu, die Mittelwellen in den Aether zu schicken?

Um es gerade vorweg zu nehmen. Ein Dipol in "Amateurfunk-Höhe" ist nutzlos. Er stellt für die elektrischen Feldlinien einen Kurzschluss gegen Erde dar.
Für unser Mittelwellenband gibt es nur zwei Lösungen: eine Vertikalantenne möglichst mit Kapazitätshut oder eine magnetische Antenne.

Die NDB (Non Directional Beacon) für den Flugfunk arbeiten ausschließlich mit der ersten Lösung. Das sieht dann etwa so aus:



 


































Wie man leicht erkennen kann, sind diese Antennen für die Wellenlänge viel zu kurz und das lässt uns hoffen. Die Bilder zeigen uns, dass man für das untere Mittelwellenband keine Monsterantennen braucht um ein Signal abzustrahlen (Die NDBs sitzen im gleichen Wellenbereich wie wir)

Die einfachste Variante für den Funkamateur ist aber zweifellos ein L-Antenne:


























Diese einbeinige Antenne ist natürlich auf ein Gegengewicht angewiesen: d.h. möglichst viele Radiale beliebiger Länge auf den Boden legen oder vergraben. Und natürlich muss sie angepasst werden. Und zwar direkt am Speisepunkt und nicht etwa nach x Metern Koax im Shack. Denn meist ist sie viel zu kurz und deshalb ist der Strahlungswiderstand sehr tief - im Ohm-Bereich oder darunter.

Am besten geschieht die Anpassung einer solchen Antenne, mit L<<Viertelwellenlänge, mit einem Variometer. Das ist eine kleine Spule, die in einer grösseren dreht. Beide sind in Serie geschaltet. Haben beide Wicklungen den gleichen Wicklungssinn, wird die Gesamtinduktivität grösser, dreht man dann die innere Spule um 180 Grad, haben beide Spulen einen entgegengesetzten Wicklungssinn und die Gesamtinduktivität wird kleiner.
Hier im Bild sehen wir ein Variometer für Langwelle. Es steckt zum Wetterschutz in einem verschließbaren Kunststofffass.

  
Und hier mein Variometer für das Mittelwellenband:





























Beide Variometer vertragen problemlos 1kW HF. Viel davon wird allerdings nicht abgestrahlt. Besonders die Erdverluste sind bei viel zu kurzen Lang- und Mittelwellenantennen enorm.

Der Abgleich ist einfach. Mit dem Variometer (indem die kleine Spule in der großen gedreht wird) gleicht man die Antenne auf Resonanz ab. Mit einem Abgriff für das Koax, einige Windungen über dem kalten (geerdeten Ende) der Hauptspule wird auf bestes SWR abgestimmt.



Was uns unweigerlich zur großen Preisfrage führt: Welche Induktivität muss mein Variometer haben und wie berechne ich das?

Zuerst muss ich wissen, welche Kapazität meine Antenne hat (zu kurze Strahler sind kapazitiv, bei sehr kurzen Strahlern kann ich die Induktivität vernachlässigen). Pro Meter Antennenlänge (Horizontal- und Vertikal-Teil zusammen) muss ich je nach Umgebung mit 5 bis 7 pF pro Meter rechnen. Das ist schon mal ein Anhaltspunkt und reicht für heuristische Versuche (Try and error). Denn ein gutes Variometer kann einen recht großen Induktivitätsbereich überstreichen.

Aber es gibt heutzutage natürlich moderne Messmittel, wie zum Beispiel Antennen-Analysatoren. Hier das Resultat meiner L-Antenne (etwa 12m vertikal und 40m horizontal):







 Die Antennenkapazität beträgt also 366.7 pF. Also etwa 7pF pro Meter. Wäre sie nicht in Haus- und Baumnähe wären es vielleicht eher 6 oder gar 5pF/m.
Wie dem auch sei. Wir erinnern uns an die Lizenzprüfung und stellen rasch die Thomsonsche Schwingungsgleichung nach L um. Oder wir benutzen einfach diesen Online-Rechner.
Das Resultat: Unser Variometer sollte 309uH haben. Können wir einen Bereich von 250-350uH überstreichen, sind wir zufrieden und können die Antenne sicher tunen.

Der Bau eines Variometers ist euch zu kompliziert?

Dann gibt es noch eine andere Lösung. Und die funktioniert auch, wenn ich fast den ganzen Prüfungsstoff vergessen habe. Wie oben auf dem Analyser zu sehen ist, habe ich eine Impedanz gemessen von
Z = 36 - j916.7 Ohm.
Ich gebe diesen Wert hier in diesen praktischen Online-Rechner von DG0SA ein. Und oh Wunder, oh Schönheit: ein einfaches Anpassglied mit Spule und Kondensator passt uns die Antenne ans 50 Ohm Koax:
Das mit der negativen Kapazität geht natürlich nicht und Lösung Nummer Zwei benötigt einen Riesenkondensator. Ich entscheide mich daher für Lösung Nummer drei (Hochpass-Ausführung): Seriekondensator von 311.56 pF und 167.144uH parallel:


Für einen U3 mit ev. kleiner Endstufe genügt eine kleine Spule. Als Kondensator nehmen wir einen Drehko. Damit lässt sich dann die Antenne gut abstimmen. Aber Achtung Hochspannung! Wie wir aus der Berechnung von DG0SA sehen, müssen wir mit einer Spannungsüberhöhung von 21.63 rechnen. Was heißt das?

Bei 50W und 50 Ohm habe ich nach der bekannten Formel: Wurzel aus P mal R gerade mal 50 Volt.
Doch mit 21.3 multipliziert erreiche ich am Antennenanschluss 1065 Volt! Das muss der Drehko aushalten, sonst knallt's ;-)

Noch ein Wort zum Realteil von 36 Ohm, den der AA-600 zeigt. Das ist keineswegs der Strahlungswiderstand der Antenne. Diese 36 Ohm sind zur Hauptsache Verlustwiderstände!